Kreis Höxter (red). Beeindruckende Landschaften, viel Natur und Ruhe auf der einen Seite, steigender Altersdurchschnitt, Abwanderung und schwindende Infrastruktur auf der anderen Seite: Die demografische Entwicklung stellt Kommunen im ländlichen Raum vor große Herausforderungen. Werden die Dörfer in der heimischen Region abgehängt?
Im Gegenteil: Gute Chancen für die Zukunft bietet den Bewohnern der digitale Fortschritt, wie das mit 223.721 € für drei Jahre von LEADER geförderte Projekt „Dorf.Zukunft.Digital“ unter Beweis stellt. Mit von der Partie sind alle zehn Kommunen im Kreis Höxter. Bis zum Jahr 2022 tauchen unter der Federführung des Projektträgers der Volkshochschule Diemel-Egge-Weser in Warburg 30 Dörfer von Albaxen über Bökendorf bis nach Welda tief in digitale Welten ein, um zu zeigen, dass sich idyllisches Landleben und moderne Gesellschaft nicht ausschließen.
„Die Dörfer im Kreis Höxter leben nicht hinter dem Mond und auch nicht im digitalen Nirwana“, hat Projektmanagerin Heidrun Wuttke die Erfahrung gemacht. Der Wahl-Höxteranerin ist es ein echtes Anliegen, die Orte im Kreis mithilfe ausgebildeter ehrenamtlicher „Digital-Experten“ fitzumachen.
Die Wissensvermittlung – verantwortlich zeichnet dafür die VHS Diemel-Egge-Weser - umfasst viele Facetten der digitalen Anwendungen, seien es Erstellung von Websites, Online-Recherchen, Datensicherheit, Social Media oder sichere Verwaltung von Passwörtern sowie Downloaden von interessanten Apps und Cloud-Lösungen. Die „Digital-Experten“ geben ihr Wissen an die Dorfgemeinschaft weiter. „Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe“, betont Heidrun Wuttke. Durch entsprechendes, ebenfalls von LEADER unterstütztes, IT-Equipment in den Bürgerhallen lässt sich das Gelernte direkt vor Ort erproben.
Obwohl die einzelnen Orte in vielen Bereichen verschieden seien, verfügten sie doch über sehr starke Gemeinschaften, welche auf konkreten Nutzwert für ihr Dorf setzen, meint die Projektmanagerin. Auch VHS-Leiter Dr. Andreas Knoblauch-Flach hat in den letzten Monaten den Eindruck gewonnen, dass die Dörfer großes Interesse am Projekt „Dorf.Zukunft.Digital“ zeigen. „Durch die Digitalisierung haben wir ein gutes Mittel zum Zweck, nämlich die Dorfgemeinschaft wesentlich zu stärken und die Teilhabe am gesellschaftlichen Umfeld zu gewährleisten“, betont der Projektträger.
Diese Teilhabe beziehe sich nicht nur auf Senioren, sondern auch auf Berufspendler, die immer weniger vor Ort sind, und auch auf Studenten und Zugezogene, die wissen wollen, was sich im Dorf abspielt. „Mit dabei sind Bürger von 18 bis 70 Jahren“, freut sich Knoblauch-Flach. Wichtig sei, ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Dorfbewohnern zu pflegen und diese bei der digitalen Entwicklung nicht alleine zu lassen.
150 Orte nutzen deutschlandweit die Dorf-News
Herzstück des breit angelegten Projektes ist die digitale Dorfplattform (Dorf-App) des Fraunhofer-Instituts IESE, über die mit einem schnellen Klick Neuigkeiten, Nachbarschaftshilfe oder Kontakt- und Serviceangebote verbreitet werden. „Wenn jemand beim Umzug Hilfe oder mit einer Mitfahrgelegenheit Hilfe benötigt, leistet diese App wertvolle Dienste und ist jetzt schon ein Selbstläufer“, betont Knoblauch-Flach. Allein deutschlandweit nutzen inzwischen 150 Dörfer die digitalen Angebote wie Veranstaltungskalender, digitale Schaufenster, Bestell- und Lieferservice oder Belegungspläne für die Bürgerhallen. Letztendlich ist auch Ziel, die Dörfer miteinander zu vernetzen, um Erfahrungen auszutauschen.
Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Rückzug ins Private entwickeln sich mit Hilfe der Digitalisierung „mehr Möglichkeiten, Kontakt zu halten, den Alltag zu organisieren und den Zusammenhalt zu stärken“, ist Heidrun Wuttke überzeugt. Und Dr. Andreas Knoblauch-Flach ergänzt: „Der Plausch am Gartenzaun findet im Moment selten statt, deshalb werden die digitalen Angebote immer wichtiger, um Kommunikation und Austausch zu gewährleisten.“ Außerdem seien die User der Dorf-App viel schneller informiert – per Pop-up-Nachricht über neue Richtlinien und abgesagte Veranstaltungen. So sieht der VHS-Leiter „auch in der Corona-Krise eine Chance, die es zu nutzen gilt, um ein attraktives, gemeinschaftliches und zukunftsgerichtetes Landleben zu erhalten.“
Foto: F. Grawe/LEADER