Warum entschließt man sich, trotz schwieriger Voraussetzungen, von Landwirtschaft zu leben, Bauer zu sein? „Landwirt zu sein bedeutet für mich in erster Linie: Freiheit“, sagt Peter Tillmann. Der 29-jährige Agrarbetriebswirt lebt und arbeitet mit seinen Eltern Antonius Tillmann und Dagmar Feldmann auf dem „Berghof“ bei Bonenburg in der Öko-Modellregion Kreis Höxter. „Die Freiheit in und mit der Natur zu arbeiten, zu entscheiden, wie ich den Betrieb entwickle und wann ich welche Arbeiten verrichte“.
Der Betrieb – das sind 100 Milchkühe, 70 Hektar Ackerland und 25 Hektar Wiesen und Weiden. Schon seit frühester Kindheit habe er begeistert seinen Vater und seinen Großvater bei der Arbeit auf dem Hof begleitet, erzählt er. Besonders die Milchkühe haben ihn interessiert: „Das war immer schon mein Ding, und das ist auch so geblieben“. Vor drei Jahren wurde die Produktion „auf Bio“ umgestellt. „Der biologische Landbau passt zu uns und dem Betrieb“, ist der junge Landwirt überzeugt. Der ehemalige Schweinestall bietet nun Platz für das Jungvieh, und in einem Teil des ursprünglichen Kuhstalles stehen zwei Melkroboter. Die Kühe haben viel Platz in einem Laufstall mit Freilufthof und im Sommer Weidegang. Durch die Melkroboter hat sich die Arbeit im Kuhstall verändert.
Setzten früher die Melkzeiten einen festen Rahmen, sind Vater und Sohn heute flexibler in der Erledigung ihrer Tätigkeiten – auch das ist Freiheit. Die Tierbeobachtung, die Auswertung der durch die Roboter erfassten Daten, die individuelle Versorgung der Kühe und natürlich auch die Fütterung und Säuberung der Ställe gehören zur täglichen Arbeit. „Aber ich mache das ja, weil ich das will“, sagt Peter Tillmann. Beim Gang über den Hof merkt man das. Er erzählt, dass der Hof seit über 120 Jahren im Familienbesitz ist, dass immer irgendwas gebaut werde und welche Kuhrassen er bevorzugt - und warum. Die Tiere sind zutraulich und ruhig, recken neugierig die Hälse und lassen sich gern anfassen. Der Landwirt kennt jedes einzelne Tier genau. Auf den Halsbändern sind Nummern - aber die Kühe sind keine Nummern.
„Das Melken mit Robotern hat den Vorteil, dass die Tiere mehr als zweimal am Tag gemolken werden können, das strapaziert die Euter nicht so. Sie haben ihren eigenen Rhythmus und durch die automatische Erfassung vieler Werte wie Milchmenge, Melkzeiten, Laufwege und Ruhephasen können wir bedarfsgerecht füttern und eventuelle Krankheiten sehr früh erkennen“, erklärt Peter Tillmann. Außerdem kann er ohne Probleme, je nach Bedarf, die Aufgaben mit seinem Vater tauschen. „Wir arbeiten gut zusammen und ergänzen uns prima“, sagt Peter Tillmann.
Peter Tillmann: „Kühe sind einfach mein Ding“
Beide sind ehrenamtlich engagiert, Antonius Tillmann wurde gerade erst als Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Bezirksverbandes OWL in seinem Amt bestätigt. Und auch der Junior hat Interessen außerhalb des Hofes. Er ist Vorstandsmitglied im Ring der Landjugend, hier ist es ihm sehr wichtig, landwirtschaftliche Themen zu diskutieren und auch nach außen zu kommunizieren. Außerdem ist er Mitglied der Feuerwehr, des Kirchenvorstandes und schlägt im Spielmannszug Bonenburg Pauke und Becken. Landwirtschaftliche Themen würden in diesen örtlichen Vereinigungen auch mal diskutiert, aber selten tiefgreifend. Er fühlt sich und seine Arbeit hier, in der ländlichen Heimat, überwiegend positiv wahrgenommen.
Und in Zukunft? In den kommenden Jahren will er den Betrieb weiterentwickeln, Abläufe optimieren, die Leistung im Stall und auf dem Acker steigern. Tillmann hofft, dass die biologische Landwirtschaft auch bei Wetterextremen, wie Trockenheit oder Hitze, eine Antwort bietet. Er sieht eine Diskrepanz zwischen den Ansprüchen an die Produktion nachhaltiger, gesunder und tierwohlgerechter Nahrungsmittel und dem Kaufverhalten der Verbraucher: „Wer fordert, muss auch nutzen“. Der Landwirt wünscht sich, dass Themen wie Energiesparen und Nachhaltigkeit auch auf anderen Ebenen stärker diskutiert werden. „Wenn die Agrardieselunterstützung kritisiert wird, warum wird dann kaum über das Flugbenzin gesprochen?“
Ein Reizthema ist für Landwirte wie Verbraucher „die Subventionen“. Die Fördergelder also, die Landwirte dafür bekommen, dass sie nach bestimmten Regeln ackern, ernten oder Tiere halten. „Manche Programme des Agrarantrags sind so kompliziert, dass man den Eindruck bekommen könnte, so wenig Landwirte wie möglich sollen sie nutzen“, spöttelt er. Der Aufwand insgesamt sei immens, viele Regelungen umständlich und an der Praxis vorbei. Am liebsten würde Peter Tillmann ohne Subventionen auskommen, mit Erzeugerpreisen, nicht nur kostendeckend, sondern auch gewinnbringend sind. „Das ist allerding kaum möglich, angefangen bei den Weltmarktpreisen, über Zölle und Abnahmeverträge bis nicht zuletzt zu den Verbraucherpreisen, alles müsste von Grund auf neu geregelt werden“.
Foto: I. Spieker-Siebrecht