Bad Driburg/Willebadessen (red). Geht es den Mitarbeitern gut, profitiert davon auch das Unternehmen. Das ist das Ergebnis der sechsten öffentlichen Info- und Fachtagung des SELBST.HILFE.SUCHT. e.V. WILLEBADESSEN in der Knappschaft-Klinik in Bad Driburg. Die Tagung war die kreisweit thematische Auftaktveranstaltung der bundesweiten Aktionswoche Alkohol 2019 verbunden mit den Aktionstagen „Wir hilft“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes über die Selbsthilfearbeit im Kreis Höxter. Heike Nordick, Ergotherapeutin und Fachkraft für Betriebliches Gesundheitsmanagement aus Lohmar bei Köln, machte in ihrem Einführungsvortrag nachdrücklich auf die Gefahren und auch rechtlichen Folgen von Alkoholkonsum während der Arbeitszeit aufmerksam. Im Podiumsgespräch traf dann der geballte Sachverstand auf eine ebenso sachkundige Zuhörerschaft. Schirmherr der Tagung war CDU-MdL Matthias Goeken.
Heike Nordick, Ergotherapeutin und Fachkraft für Betriebliches Gesundheitsmanagement, machte in ihrem thematischen Einführungsvortrag im großen Vortragssaal der Knappschafts-Klinik ihre interessierten Zuhörer mit einigen erschreckenden Fakten bekannt: Zehn Prozent aller Beschäftigten trinkt aus gesundheitlicher Sicht zu viel, davon haben befinden sich bereits fünf Prozent im Stadium eines riskanten Konsums und ebenfalls fünf Prozent sind bereits suchtgefährdet. Alkoholkonsum führe zu bis zu 16 mal höheren Fehlzeiten im Beschäftigungsprozess, ganz zu schweigen von der dadurch anfallenden Mehrarbeit für Kollegen. Allein 0,8 Promille Alkohol im Blut erzeuge ein 6,5-faches Unfallrisiko über normal und bei einem Wert von 1,5 Promille steige dieses Unfallrisiko auf das 16-fache. Für die direkten Vorgesetzen gelte das Motto: „Sehen, Hören, Riechen“, um Auffälligkeiten der Kollegen zu bemerken. Dabei zitierte die Fachreferentin unter dem Gesichtspunkt „Pflichten für Mitarbeiter“ die Paragrafen 15 , Absatz 1, und 16 aus dem Arbeitsschutzgesetz: „Die Beschäftigten sind verpflichtet, für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen, auch für Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind, und jede festgestellte erhebliche Gefahr unverzüglich zu melden“.
Heike Nordick setzte damit dem Märchen von verwerflichem Denunziantentum und unsolidarischem Verrat kategorisch ein Ende. Darüber hinaus seien Mitarbeiter durch arbeitsvertragliche Nebenpflicht angehalten, sich nicht in einen Zustand zu versetzen, der keine ordnungsgemäße Arbeitsleistung mehr zulässt. Weiterhin laute die Vorschrift 1 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (früher Berufsgenossenschaft): „Der Unternehmer darf Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere zu auszuführen, mit diesen Arbeiten nicht beschäftigen“. Für die direkten Vorgesetzten bedeute das, das Verbot der Beschäftigung eines alkoholisierten oder berauschten Mitarbeiters zu beachten, was allerdings sehr häufig zu erheblichen diagnostischen Schwierigkeiten führe. Deshalb gelte der Merksatz: Zur Durchsetzung des Beschäftigungsverbots reicht die subjektive Einschätzung des Vorgesetzten! Dass zu den betrieblichen Vorsorgemaßnahmen die Installation eines Suchtbeauftragten, die Vermittlung in Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen, Inhouse-Schulungen, Präventions-Aktionen und letztlich eine entsprechende Betriebsvereinbarung gehöre, versteht sich nach Auffassung der Referentin von selbst. Im Podiumsgespräch warb Otto Fehr für eine aktive Mitarbeit in einer Selbsthilfegemeinschaft. Der aus dem Kreis Höxter stammende Dortmunder ist Diözesanvorsitzender des Selbsthilfeverbandes Kreuzbund für das Erzbistum Paderborn und begleitet aktuell 1200 Kollegen, die wöchentlich in 74 Gruppen und 19 Gesprächskreisen aktive Selbsthilfearbeit betreiben.
Otto Fehr fasst seine Wortbeiträge in einem Statement zusammen: „Die Sorge um Suchkranke und Angehörige hat im Kreuzbund schon über 120 Jahren Tradition. Alle Bemühungen der Gemeinschaft verfolgen das Ziel von Abstinenz für die Abhängikeitserkrankten, sowie Zufriedenheit und Entfaltung der Persönlichkeit. Wir geben Hilfestellung auch besonders bei der Sucht am Arbeitsplatz. Ärzte und betriebliche Suchtberater und Vorgesetzte endscheiden oft nach festgelegten Schematiken. Die Frage danach kann sehr häufig die Selbsthilfe sehr gut beantworten. Die Erfahrungen (Selbsterfahrung mit Sucht am Arbeitsplatz) der Menschen in der Gemeinschaft auszutauschen und den oder die Betroffenen zu motivieren, gemeinsam mit anderen die Abhängigkeitsproblematik zu bewältigen. Soziale Kontakte und neue Perspektiven zu finden ist die wichtigste Aufgabe die die Selbsthilfe leistet, um eine eventuelle Isolierung oder Ausgrenzung zu überwinden.“ Zuvor hatte bereits Schirmherr Matthias Goeken eine Lanze für die Selbsthilfearbeit gebrochen. „Selbsthilfe bedeutet“, so der heimische Landtagsabgeordnete, „Menschen um sich zu haben, die einen begleiten, die einen manchmal anschieben oder einem die Hand reichen, die sich für die Sorgen und Probleme der anderen interessieren und die einem zuhören“. Selbsthilfegruppen seien für viele Menschen eine Anlaufstelle, an die sie sich wenden, wenn sie sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden. Hier finde man Menschen mit ähnlichen Problemen, die einem ehrenamtlich helfen und die den Betroffenen nicht für sein Problem verurteilen.
Nein, sagt Thomas König, seine Institution sei nicht der Medizin-Tür für die Wirtschaft im Hochstift Paderborn. Dennoch liest sich die Referenzliste des Zentrums für Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit in Südostwestfalen e.V. ZAmAs, dessen ärztlicher Leiter der Facharzt für Allgemein-, Arbeits- und Umweltmedizin in der Dessauer Straße der Domstadt ist, wie das Who is Who der regionalen Unternehmerschaft. Und so nehmen denn auch regelmäßig rund 280 Firmen mit insgesamt 34.000 Arbeitnehmern die Leistungen des ZAmAs in Anspruch. Besonderen Wert legt der Fachmediziner bei auftauchenden Problemen auf erste innerbetriebliche Maßnahmen. „Das erste Fürsorgegespräch“, so Thomas König, „sollte zwischen dem unmittelbaren Vorgesetzten und dem Betroffenen stattfinden, die Personalabteilung muss dabei nicht eingeschaltet werden“.
Eine außergewöhnliche Klientel betreut Sabrina Jesinghausen. Die Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin arbeitet bei INTEG in Bad Driburg, mit 700 Beschäftigten ein Betrieb für behinderte und nichtbehinderte Mitarbeiter. INTEG ist das Unternehmen einer Stiftung, die 1975 von Dr. Hanns Philipzen, damaliger Chefarzt des St. Josef Hospitals in Bad Driburg und dem Paderborner Computerunternehmer Heinz Nixdorf ins Leben gerufen wurde. Kuratoriums-Vorsitzender ist übrigens Tagungsschirmherr Matthias Goeken. „Die individuelle Betreuung unserer Werksmitarbeiter (das sind die Behinderten) liegt uns besonders am Herzen, wobei wir auf Suchtgefährdungen ein verstärktes Augenmerk haben“, sagt Sabrina Jesinghausen. An die nichtbehinderten Mitarbeiter stelle INTEG dabei besondere Anforderungen. Sie seien, so die Sozialarbeiterin, das Rückgrat des Unternehmens. Ihre Aufgabe sei es, für einen reibungslosen Betriebsablauf zu sorgen. Deshalb achte man auch besonders auf Beeinträchtigungen durch Suchtmittelkonsum jeglicher Art.
Den emotional schwierigsten Part beim Podiumsgespräch in der Bad Driburger Knappschafts-Klinik hatte Harry Hellweg aus Steinheim übernommen. Er ist ein Betroffener von den Auswirkungen seiner Suchtkarriere. „Job weg, Familie weg, Gesundheit weg“, fasst er die Folgen seines exzessiven Alkoholkonsums zusammen. Um ein zufriedenes suchtmittelfreies und nachhaltig abstinentes Leben zu führen, gründete er bereits im Jahr 2001 in Steinheim eine Selbsthilfegruppe für Suchtmittelabhängige. Und nicht nur das: Seit 2006 arbeitet er auch noch als Beirat im Vorstand seines Landesverbandes Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe. Harry Hellweg: „Viel Engagement, viel ehrenamtlicher Einsatz und Zeitaufwand bringen für mich den Lohn für ein Dasein ohne die Beeinträchtigung durch Alkoholkonsum“. Und so zeigte sich Tagungsleiter Wolfgang Laudage denn auch höchst zufrieden mit den Ergebnissen der nunmehr sechsten öffentlichen Info- und Fachtagung seiner rein ehrenamtlich tätigen Selbsthilfegemeinschaft. „Selbst nach erfolgreich absolvierter Therapie, welcher Art auch immer“, so der Vorsitzende des Willebadessener Vereins, „liegt die Rückfallquote ohne aktive Mitarbeit in einer in Selbsthilfegruppe in den ersten fünf Jahren bei 90 Prozent“. Da tute die Einsicht eines jeden Betroffenen not. Informationen über den SELBST.HILFE.SUCHT. e.V. Willebadessen gibt es außer auf der homepage der Stadt Willebadessen unter „Vereine“ auch unter der E-Mail-Adresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, die Rufnummer des Info-Telefons lautet 0157-89728623.